Pressemitteilung Nr. 40 vom 05.09.2018Zukunft Ruhrgebiet: Handwerk fordert Neuausrichtung
Forum der Ruhr-Kammern und lokalen Handwerksorganisationen im Revier mahnt Korrektur der Strukturförderung in Richtung Handwerk und Mittelstand an
Arbeitsverbund "Handwerk Region Ruhr" und RVR zeichnen "Masterplan Klimaschutz"
Die Handwerkskammern und lokalen Handwerksverbände im Revier greifen in die Debatte um die Zukunft des "Reviers" ein. Ein neuformiertes Aktionsbündnis "Handwerk Region Ruhr" aus allen 14 Organisationen der wirtschaftlichen Selbstverwaltung des Wirtschaftssektors an Ruhr, Emscher und Lippe hatte für Dienstagabend zu einer eigenen Ruhrkonferenz des Handwerks an symbolträchtigen Ort geladen - die Zeche Zollverein in Essen -, um mit Politikern, lokalen Verwaltungsspitzen und Verantwortungsträgern aus mehr als 150 Handwerksbetrieben ein Positionspapier mit dem programmatischen Titel Mittelstandsmetropole Ruhr! vertiefend zu erörtern. "Das Ruhrgebiet muss sich mehr auf die Kreativität dezentraler Einheiten, vor allem auf die Ausbildungs-, Beschäftigungs- und Innovationskraft der kleinen und mittleren Unternehmen besinnen", fasste Schlusswortredner Andreas Ehlert (Präsident HWK Düsseldorf und Dachverband Handwerk.NRW) die Hauptstoßrichtung des Memorandums und die Podiumsbeiträge von Landesbauministerin Ina Scharrenbach, HWK-Präsident Berthold Schröder, RVR-Direktorin Karola Geiß-Netthöfel, Oberhausens OB Daniel Schranz und Kreislehrlingswartin Susanne Timmermann (Recklinghausen) zusammen. "Wir wollen, dass in der Region Ruhr ein breit verankertes Unternehmertum zum Träger von Wertschöpfungsprozessen im Zeitalter der Digitalisierung wird", hatte zum Auftakt der Münsteraner HWK-Präsident Hans Hund in einer programmatischen Grußansprache dem Forum Weg und Richtung gewiesen.
Das Handwerk fordert mit seinem Debattenimpuls eine grundsätzliche strukturpolitische Neuausrichtung der Ruhrförderung in Richtung der Potenziale aus der mittelständischen Wirtschaft ein. "Die Abhängigkeit der Region von Monostrukturen muss aufhören", betonte Schröder. Das Handwerk alleine operiere mit rund 282.000 Erwerbstätigen "längst auf Augenhöhe mit der Industrie und ist mit seinen knapp 45.000 Betrieben Stütze des Unternehmertums in der Region", wies Dortmunds HWK-Präsident auf die veränderten Proportionen bei der Wertschöpfung der Ruhrwirtschaft hin. Vorrangig sei dabei, so die Handwerksvertreter in Essen, bessere mikroökonomische Rahmenbedingungen und Anreize herzustellen, vor allem für das Berufliche Bildungswesen, dessen Infrastruktur in der Region Ruhr die Verfasser als vergleichsweise besonders modernisierungsbedürftig klassifizieren. Besonders wertvolle Erfahrung bringe das Handwerk dabei nicht zuletzt auch in der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen ein. Systematisch auszubauen und zu verstetigen seien außerdem der Forschungstransfer zwischen Hochschulen, Technologiezentren und dem Handwerk und Mittelstand, sowie die Digitalisierung der ansässigen Unternehmen. "Wir müssen die Ruhrmetropole im Übrigen als 'Stadt der kurzen Wege' denken: Wir brauchen im Nahbereich ausreichend Gewerbefläche für die künftige wirtschaftliche Entwicklung, und wir müssen die verkehrliche Erreichbarkeit der Zentren sichern", rief der Präsident der HWK Münster, Hund, außerdem die Perspektive einer verbesserten Planungssynthese für die Großstadtregion auf.
Die integrative Betrachtung von Entwicklungsfaktoren, nicht zuletzt der wirtschafts- und bildungspolitischen Aktivierungspotenziale, ist durchaus kennzeichnend für das gesamte Positionspapier: Erst exzellente Angebote der beruflichen Bildung einschließlich dualer und trialer Ausbildungsstudiengänge der "Höheren Berufsbildung" seien geeignet, dem akademischen Qualifizierungstrend Paroli zu bieten, einen Aufwuchs an Fachkräften zu stimulieren und auf diese Weise auch den Boden für die bislang unterdurchschnittlich ausgeprägte unternehmerische Selbstständigkeit zu verbreitern.
Kreislehrlingswartin Susanne Timmermann (Recklinghausen) mahnte in diesem Zusammenhang auf dem Ruhr-Forum an, die Schule müsse "noch wesentlich mehr praktische Begegnung mit dem Handwerk vermitteln". Und die handwerkliche Ausbildung müsse ihrerseits als attraktive, digitale und umfassend qualifizierende Option erkennbar werden. Landesbau- und Kommunalministerin Ina Scharrenbach wies in Essen mit Blick auf Bedingungen und Märkte des Ruhrhandwerks unter anderem auf den erklärten Regierungsschwerpunkt hin, das Bauen im Lande zu erleichtern; an der Ruhr nicht zuletzt durch die Initiative "Bauland an der Schiene" und die Verfügbarmachung von Flächenreserven, aber auch durch Anstrengungen, das Fachpersonal in den Bauordnungsämtern aufzustocken.
Als ersten greifbaren Ausdruck der verstärkten Konzentration des Handwerks auf die Ruhr-Entwicklung zeichneten die Präsidenten der Ruhr-Kammern und elf Kreishandwerksmeister sowie die Regionaldirektorin des Regionalverbandes Ruhr einen "Masterplan Klimaschutz des Handwerks Region Ruhr in Kooperation mit dem RVR". Er soll die Verabschiedung von Klimaschutzpakten des Wirtschaftsbereichs mit den Kommunen des Reviers dynamisieren und bis 2023 möglichst flächendeckend sichern. Im Mittelpunkt stehen Ziele und Maßnahmen der qualitätsvollen energetischen Gebäudesanierung, der Ausbau der Solarenergie, die betriebliche Energieeinsparung und die Mobilitätswende im Revier. "In Sachen Klimaschutz haben wir mit den Handwerkskammern jetzt einen starken regionalen Akteur an der Seite. Gemeinsam wollen wir die energiewirtschaftlichen Herausforderungen der Metropole Ruhr meistern - und das Handwerk auch bei unseren Bildungsaktivitäten künftig besser einbinden", begrüßte Karola Geiß-Netthöfel die Zusammenarbeit.
"Wir erwarten, dass die von Ministerpräsident Laschet jetzt gestartete Ruhrkonferenz der Landesregierung die konzeptionellen Hinweise des Handwerks substanziell aufgreift und dazu mit uns auch geeignete Themenforen definiert", betonte Düsseldorfs Kammerpräsident Ehlert zum Abschluss der Veranstaltung. Die Kammerpräsidenten Ehlert, Schröder und Hund kündigten im Namen des Arbeitsbündnis an, sich künftig mit dem Arbeitsbündnis "Handwerk Rhein Ruhr" in den einzelnen Kommunen, Teilregionen, auf der Ebene des Regionalverbandes Ruhr und beim Initiativkreis Ruhr systematisch einzubringen.