12. Juni 2024Handwerk beansprucht für seinen Beitrag zu nachhaltigerer Wirtschaftsweise mehr Freiraum
Podium mit Netzwerkpartnern der Weiterbildung im Handwerk, Bankenverband und Wirtschaftsjournalist Philipp Krohn von der FAZ debattierte Rahmenbedingungen für den ökologischen Auftrag des Sektors
Beim Thema Nachhaltigkeit ist der öffentliche Fokus stark auf die staatlichen Rahmenbedingungen ausgerichtet. Ein Fachpodium in der Handwerkskammer (HWK) Düsseldorf schärfte am Dienstag den Blick für den Beitrag, den der Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente für das Erreichen von Nachhaltigkeits- und Effizienzzielen leisten kann. Das Netzwerktreffen mit rund 80 Unternehmern und Unternehmerinnen, Fachvertretern von Partnerinstitutionen der HWK im Klimaschutz und in den lokalen Netzwerken der kommunalen Klimapakte im HWK-Bezirk stand unter dem Motto „Nachhaltigkeit: Was kommt auf das Handwerk zu?“
„Nachhaltigkeit im Handwerk bedeutet nicht nur, verbrauchsschonend und umweltbewusst zu arbeiten, sondern sich als Unternehmen auch insgesamt langfristig zukunftsfähig aufzustellen. Dazu müssen wir alle Chancen erkennen und nutzen, die sich durch ressourcenbewusstes, auf langlebigen Gebrauch ausgerichtetes Wirtschaften bieten – und das in allen Branchen. Für ihre Suchbewegung als qualifizierte Marktteilnehmer nach neuen und innovativen Lösungen im Wettbewerb brauchen die Unternehmen keine detaillierten Vorgaben, sondern vor allem Freiheit. Nur so können sie sich ungehindert neue Märkten etwa in der zirkulären Ökonomie erschließen und ihre Wettbewerbsfähigkeit festigen,“ bezog HWK-Präsident Andreas Ehlert in seinem Grußwort Position.
Philipp Krohn, Wirtschaftsredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Buchautor, unterstützte diese Auffassung, indem er seinerseits die Bedeutung marktwirtschaftlicher Instrumente – insbesondere die Regulierungswirkung über den Emissionshandel per CO2-Bepreisung - für das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen herausstellte: „Nachhaltigkeit muss durch die Freiheit gehen“, zitierte Krohn in seinem Impulsvortrag den Umweltwissenschaftler Malte Faber – im Sinne des Freiheitsbegriffs des Ordnungsökonomen Friedrich von Hayek: „als Zustand, sein Wissen zu nutzen“, wie der Moderator der anschließenden Podiumsdiskussion Hans-Jörg Hennecke ergänzte.
Steffen Pörner vom Bankenverband NRW kritisierte ein Strategiedefizit der Bundesregierung hinsichtlich der Energiewende, warnte jedoch angesichts anstrengender Regulatorik wie der Nachhaltigkeit klassifizierenden EU-Taxonomie und der künftigen, nachhaltigkeitsbezogenen Berichterstattungspflichten für Unternehmen vor Passivität und Investitionszurückhaltung. Neue Narrative seien notwendig, um Chancen aufzuzeigen. Juliane Kriese von der Zentralstelle für Weiterbildung im Handwerk (ZWH) verwies als Erleichterung für KMU, die ihre Wertschöpfung auf die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) aus Brüssel anpassen und zunächst ihren Effizienzstatus analysieren wollten, auf eine Muster-Arbeitshilfe: den „Nachhaltigkeits-Navigator“ (www.nachhaltiges-handwerk.de). Ein kontroverser Dialog mit Praktikern im Publikum entspann sich über die Frage, inwiefern auch Selbstbeschränkungen beim Konsum und eine im Idealfall zirkuläre Produktion mit erneuerbaren Ressourcen nach dem „Suffizienz“-Ansatz mehr makro- und mikroökonomische Bedeutung erlangen sollten. Pörner ermutigte die Unternehmen im Saal einerseits zu einer nachhaltigen und nachvollziehbaren Nachhaltigkeits-, Effizienz- und Marktausrichtung, verwies aber auch auf das Grundgesetz, das Wohlfahrt und Wachstum als Staatsziele festschreibe. Übereinstimmung zwischen den Impulsgebern der Debatte herrschte vor allem darin, dass in der Steuerung von Nachhaltigkeitszielen Anreize anstelle von Ge- und Verboten und Offenheit hinsichtlich der Anwendung von Technologien die Hauptrolle spielen müssten. Gemeinsames Lernen und Projekte in lokalen Netzwerkpartnerschaften und Klimapakten hülfen überdies, politische Lagerabgrenzungen aufzubrechen.
Bei Gelegenheit des Netzwerktreffens verabschiedete die Handwerkskammer die langjährige Leiterin ihres Zentrums für Umwelt, Energie und Klima in Oberhausen, Gabriele Poth, für das sie über 30 Jahre – den längsten Abschnitt als dessen Leiterin – in strukturprägender Weise tätig war.