26. September 2024Handwerk fordert Platz in der Stadt
Ehlert: „Auch Gewerbe braucht Wohnraum!“
HWK stellt Ergebnisse von Düsseldorfer Standortumfrage vor und in Fachkonferenz zur Debatte.
Die Handwerkskammer Düsseldorf hat die Ergebnisse einer Umfrage zum Standortbedarf des Düsseldorfer Handwerks vor- und im Rahmen einer Fachkonferenz am Mittwoch unter starker kommunaler Beteiligung zur Diskussion gestellt. Titel der Veranstaltung in der Handwerkskammer: Der urbane Raum – (K)ein Platz für das Handwerk? Die Dezernentin für Planen, Bauen, Wohnen und Grundstückswesen der Landeshauptstadt, Beigeordnete Cornelia Zuschke, überraschte und entspannte die lebhafte Debatte auf der Veranstaltung mit der Ankündigung, im Bauleitplanverfahren für ein neues Gewerbegebiet südlich Tetelberg (angrenzend ans Handwerkerviertel in Bilk mit dem Sitz der Bildungsstätten der HWK, der Kreishandwerkerschaft und der Bildungszentren des Baugewerbes) auch einen mehrgeschossigen Handwerkerhof planungsrechtlich sichern zu wollen.
Neuer Handwerkerhof soll nahe der HWK realisiert werden
Denn die Untersuchungsergebnisse sind brisant: Mehr als jeder vierte Düsseldorfer Handwerksbetrieb (26,8 %) sucht ausweislich der Kammerumfrage aktuell einen neuen Firmenstandort. Der Verlagerungsdruck auf das handwerkliche Leistungsangebot in der Stadt hat sich damit gegenüber einer Vorläuferumfrage der HWK vor vier Jahren noch einmal merklich erhöht. Damals hatten noch 22,5 Prozent der Firmeninhaber bekundet, ihren Standort wechseln zu wollen oder zusätzliche Flächen zu suchen. 332 Firmen haben sich an der Erhebung beteiligt (46 % aus Ausbau- und haustechnischen Branchen, 30,5 % Ladengeschäfte, 23,5 % Produzierendes Handwerk).
Hauptgrund für einen Standortumzug ist laut Studie die fehlende Erweiterungsmöglichkeit am aktuellen Firmensitz (67 %). Mehr als jedes 5. befragte Unternehmen (21,7 %; bei Mehrfachantwort) verweist im Übrigen auf ein gekündigtes Miet- oder Pachtverhältnis – und hat entsprechend kurzfristigen Veränderungsbedarf. Insgesamt gab jedes dritte Unternehmen (33 %) mit bekundeter Verlagerungsabsicht bei der Kammerumfrage an, bereits binnen eines Jahres geeignete neue Flächen finden zu müssen. „Hier tickt die Uhr und es drohen Betriebe abzuwandern - oder im Worst-Case sogar ganz zu verschwinden. Das macht das Standortthema für Düsseldorf so akut“, ordnete HWK-Präsident Andreas Ehlert das Datenbild der Umfrage am Mittwoch im Rahmen einer Fachkonferenz ein.
Mobilitätsbedingungen und Kosten für Kauf und Miete prägen Standortgunst maßgeblich
Auch die am Standort herrschenden Mobilitätsbedingungen sind ein starker Treiber von Verdrängung. Fehlende Parkiermöglichkeiten für Kunden und Mitarbeitende an der aktuellen Liegenschaft macht jedes zweite (47 %) verlagerungswillige Unternehmen als zentralen Entscheidungsgrund geltend. 69 Prozent aller befragten Unternehmen kreuzten eine „gute Straßenverkehrsanbindung“ als wichtigste Standortbedingung an.
Von ähnlich hoher Relevanz für die Standort-Bewertung wie das Mobilitätsthema ist die Frage der Kostenhöhe bei der Miete oder beim Kauf der Liegenschaft: 64 % der Befragten sehen hierin den wichtigsten Standortfaktor (Mehrfachnennungen). Für drei von zehn verlagerungsinteressierten Betrieben lautet die Umzugs-Motivation deshalb: Eigentumserwerb statt Miet- oder Pachtverhältnis. „Der Druck auf die Handwerksstandorte in der City wächst. Ortsnah versorgendes, bauendes und wartendes Handwerk ist unverzichtbar für die Daseinsvorsorge in der Stadt, ihre Angebotsvielfalt, Attraktivität, Arbeitsmärkte und nicht zuletzt ihren klimagerechten Umbau,“ betonte der Kammerpräsident. Ehlert: „Auch Handwerk braucht Wohnraum!“ Die Stadt sei „in der Pflicht“, diesen planerisch zu sichern, habe in Vergangenheit jedoch „nicht ausreichend verhindert, dass in Düsseldorf Gewerbeareale durch monofunktionale Wohnüberbauung ersetzt oder durch heranrückende Wohnbebauung verdrängt werden.“ Inzwischen seien etwa die für Düsseldorf typischen, von Handwerksbetrieben genutzten Grundstücke in Blockinnenbereichen „akut vom Aussterben bedroht,“ berichtete Ehlert dem 70-köpfigen Auditorium aus Handwerksunternehmen und Gästen aus Rat und Verwaltung, unter ihnen die Bürgermeister Josef Hinkel und Clara Gerlach, die Beigeordneten Cornelia Zuschke, Dezernentin für Integrierte Stadt- und Verkehrsplanung sowie der Dezernent für Wirtschaftsförderung, Christian Zaum.
Mehr Nachdruck gefragt, um Abwanderung von Betrieben zu vermeiden
Von mehr oder weniger kritischen Erfahrungen bei der Unternehmens-Gründung bzw. -Verlagerung berichteten in Wort und Einspielfilm die Geschäftsführer zweier Handwerksbetriebe: Axel Blasberg (Soeffing Kälte Klima GmbH) und Norman Kamp (Tischlerei Konture GmbH). Blasberg hat sein Familienunternehmen mit über einhundert Beschäftigten, seit acht Jahrzehnten in Düsseldorf unweit des Oberbilker Markts ansässig, nach erfolgloser Standortsuche ans Hildener Kreuz umgesiedelt, und monierte das Bemühen der Stadt um sein auf einen Verbleib in Düsseldorf gerichtetes Umsiedlungs-Interesse als nicht nachdrücklich genug. Architekt und Tischler Kamp bezeichnete seinerseits den Umstand als „allzu seltenes Glück“, im Innenstadtgebiet dank Bestandsschutz auf eine als Schreinerei fortnutzbare Werkhalle gestoßen zu sein. Im Kontakt mit der Stadt habe der Aspekt des Vermakelns von Immobilien überstark im Vordergrund gestanden. „Heute ist die Tischlerei Konture im Hinterhof im vitalen und gemischten Stadtteil Unterbilk ein gelebtes Beispiel für urbane Produktion“, würdigte Ehlert den Erfolg des in seinem Trachten ebenfalls auf sich allein gestellt gebliebenen, hartnäckigen Startups.
Miteinander von Kommune und Handwerk zuletzt stark verbessert
Als „umso erfreulicher“ beurteilte Ehlert die Anstrengungen der letzten Jahre von Rat und Verwaltung, die Sicherung und Entwicklung von Flächen für mittelständisches Gewerbe und eine enge Einbindung des Handwerks systematisch vorzusehen; so verankert im Stadtentwicklungskonzept Raumwerk D, im Düsseldorfer Baulandmodell und nicht zuletzt im „Masterplan Handwerk“. Als Podiumsgast von Seiten der Kommune bestätigte Planungsdezernentin Cornelia Zuschke die in den letzten Jahren und insbesondere im Zuge des „Masterplans Handwerk“ intensivierte Abstimmung mit dem Handwerk über seine Standortbedarfe und deren Sicherung, kündigte darüber hinaus aber auch an, ihr Team anzuhalten, im Kontakt mit Handwerkerinnen und Handwerker noch umfassender auf deren Bedürfnisse einzugehen.
Einen wesentlichen Beitrag für eine bedarfsgerechte Flächenversorgung leistet in der Landeshauptstadt die städtische Immobilienentwicklungs-Tochter IDR AG. Vorstand Manfred Kornfeld fokussierte in seinen Ausführungen auf das in Düsseldorf früh angegangene Thema „Gewerbehof“. Mehrere Objekte existierten bereits seit Jahren, „eine ganze Reihe“ Handwerksbetriebe seien darin ansässig geworden. Zudem entstünden aktuell fünf weitere sog. Craftmen’s Places, einer davon ebenfalls bereits in Betrieb. Nicht alle Flächen darin seien allerdings von Handwerk belegt; mehrere standortsuchende Firmeninhaber im Saal berichteten ihrerseits, nur auf Kleinanzeigenmärkten fündig geworden zu sein. Das anwesende Spitzenpersonal von Stadt, Kammer und der IDR verabredete, das Matching von Flächenangebot und -Nachfrage gemeinsam zu überprüfen und optimieren zu wollen.
Angebot an kleineren Grundstückszuschnitten und Matching verbessern
Wie wichtig ein Angebot speziell an kleinerparzelligen Flächen ist, macht im Übrigen ebenfalls die Standortumfrage der Kammer deutlich. Danach wünschen die meisten Handwerksbetriebe Flächenzuschnitte zwischen 200 und 400 m². Daneben gibt es durchaus auch im Handwerk Unternehmen, die mehr als eintausend qm benötigen. Mehr als ein Viertel der neue Areale suchenden Unternehmen in der Umfrage nennt allerdings Bedarfe an Flächen unter bzw. bis einhundert Quadratmeter.
Entsprechend hoch ist der Zuspruch von Seiten der verlagerungswilligen Unternehmen in der Erhebung für das Handwerkerhof-Konzept: 70 Prozent der Befragten können sich vorstellen, in eine derartige gemeinschaftsgenutzte Immobilie zu ziehen, an der Spitze mit 82 % Zustimmung der Cluster der gebäudenahen und haustechnischen Unternehmen. Das flächen- und kostensparende Potenzial gerade solcher Handwerkerzentren wurde demgemäß auch von allen im Saal versammelten Praktikern, Verwaltungs-verantwortlichen und Akteuren der Immobilienwirtschaft einhellig positiv als „ausbauwürdig“ bezeichnet.